Am 27. Januar jährt sich zum 71. Mal der Tag der Befreiung von Auschwitz. In Stendal wird an dieses dunkelste Kapitel deutscher Geschichte mit Lesungen, Gesprächen, Workshops erinnert. „Denken ohne Geländer“ ist eine Woche überschrieben, in der es um einstiges Ausgrenzen und um heutige Wege des Miteinanders geht.
Der Ausspruch „Denken ohne Geländer“ stammt von Hannah Arendt (1906–1975), der großen Philosophin und politischen Theoretikerin, die einst vor der Hitlerbarbarei ins Exil flüchten musste. Das Werk der Meisterdenkerin hat nichts an Aktualität verloren. Und so bedienen sich die Veranstalter der Woche „Denken ohne Geländer“ der Gedanken von Hannah Arendt. Ihre Texte werden am 29. Januar gelesen.
Es ist ein ambitioniertes Projekt, das die Hochschule Magdeburg-Stendal und das Theater der Altmark mit Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung initiiert haben. Was einst im Seminar von Professor Katrin Reimer-Gordinskaya von der Hochschule Magdeburg-Stendal mit Recherchen zum jüdischen Kinderleben in der Altmark begann, wurde dank vieler studentischer Ideen in verschiedenen kleinen Projekten immer weiterentwickelt. Jetzt steht das Programm. Vom 25. bis 30. Januar wird es Lesungen geben und Theater, Filme und Vorträge.
Reimer-Gordinskaya nennt zwei wesentliche Hauptstränge, die sich durch das Programm ziehen: Leben vor, während und nach dem Holocaust sowie der Blick auf die aktuelle Neonaziszene.
Den Film „Er ist wieder da“ von Regisseur David Wnendt, der im Uppstall-Kino Stendal gezeigt wird, nennt sie ein Scharnier zwischen Geschichte und Gegenwart. Die Literaturverfilmung, die von Adolf Hitler und dessen Erwachen in Berlin im Jahr 2014 handelt, kommt nicht nur auf die Leinwand, anschließend soll über gegenwärtige und historische Bezüge diskutiert werden. Sechs Studierende haben sich mit dem Film intensiv auseinandergesetzt.
Überhaupt gehe es den Organisatoren um Gespräche und den Austausch. Studentin Stephanie Stößel hat sich mit Sally Perel und seiner bewegenden Biografie „Hitlerjunge Salomon“ beschäftigt. Perel hatte seine jüdische Identität verschwiegen und mit seiner gespielten Rolle in der Hitlerjugend überleben können. „Seine Biografie ist eindrucksvoll und bietet viel Stoff zum Nachdenken“, sagt Stößel. Der Film steht auf dem Programm, ein Gespräch mit ihr für Schulklassen ebenso.
Einen Workshop zu Lessings „Nathan der Weise“ hat Selina Murawski mit vorbereitet. „Wir wollen den literarischen Aufruf zur Versöhnung der Weltreligionen diskutieren“, sagt sie und spricht von der Aktualität des Stücks, das derzeit als Inszenierung des Intendanten Alexander Netschajew am Theater gezeigt wird.
Netschajew wird auch selbst auf der Bühne seines Hauses stehen und den Monolog „Ein ganz gewöhnlicher Jude“ von Charles Lewinsky lesen. Zum Abschluss der Woche „Denken ohne Geländer“ kommt der israelische Autor Joshua Sobol ans Theater und wird über sein Schauspiel „Die Palästinenserin“ sprechen.
Zu allen Veranstaltungen ist der Eintritt frei.